Ob majestätisch durch die Ägäis gleitend oder dicht aneinander gereiht in mediterranen Häfen: Kreuzfahrtschiffe stehen sinnbildlich für Luxusreisen auf dem Meer – und zunehmend auch für kontroverse Debatten.
Insbesondere in Griechenland, einem der Hauptzielländer Europas, wächst der Unmut über die Massen, die aus diesen schwimmenden Hotels täglich an Land strömen. Der Schritt der griechischen Regierung, ab Juli 2025 eine „Ankunftsgebühr“ für Kreuzfahrtpassagiere einzuführen, verdeutlicht: Der Kreuzfahrttourismus steht an einem Wendepunkt.
Wachstum mit Nebenwirkungen: Der Kreuzfahrtboom
In den letzten Jahren hat der Kreuzfahrttourismus weltweit stark zugenommen – auch in Griechenland. Laut dem griechischen Schifffahrtsministerium verzeichnete das Land im Jahr 2024 rund 7,9 Millionen Landgänge von Kreuzfahrtgästen. Hotspots wie Santorini (1,3 Millionen) und Mykonos (1,29 Millionen) stehen dabei exemplarisch für die Herausforderungen: überfüllte Gassen, überforderte Infrastrukturen und genervte Anwohner.
Der wirtschaftliche Nutzen scheint auf den ersten Blick erheblich. Der Kreuzfahrttourismus spült jährlich über eine Milliarde Euro in die griechische Wirtschaft. Doch Kritiker bemängeln, dass ein Großteil der Wertschöpfung auf den Schiffen verbleibt. „Viele Passagiere kaufen nicht lokal ein, sondern kehren nach ein paar Stunden direkt aufs Schiff zurück – das schadet dem stationären Handel“, erklärt Maria Kalogeropoulou, Gastronomin aus Mykonos. Hinzu kommen ökologische Belastungen durch Emissionen und Müll, insbesondere in kleineren Häfen ohne entsprechende Abfallentsorgung.
Neue Maßnahme: Die griechische Ankunftsgebühr ab Juli 2025
Ab dem 1. Juli 2025 erhebt Griechenland nun eine gestaffelte Ankunftsgebühr für Kreuzfahrtpassagiere. Die Maßnahme sieht je nach Saison und Zielhafen unterschiedliche Beträge vor:
- Hauptsaison (1. Juni bis 30. September): 20 Euro pro Person für Santorini und Mykonos, 5 Euro für andere Häfen
- Vor- und Nachsaison: 12 Euro für Santorini/Mykonos, 3 Euro für andere Häfen
- Rest des Jahres: 4 Euro bzw. 1 Euro
„Diese Maßnahme ist ein erster Versuch, den Massentourismus zu regulieren und besser zu verteilen“, so Minister Christos Stylianides. Er betont, dass die Einnahmen zweckgebunden in die Verbesserung der lokalen Infrastruktur fließen sollen – etwa für neue Busverbindungen, sanitäre Anlagen oder Müllentsorgung.
Geregelte Besucherzahlen: Limitierungen auf den Inseln
Zusätzlich zur Gebühr plant Griechenland, Tageslimits einzuführen. Auf Santorini sollen künftig maximal 8.000 Kreuzfahrtgäste pro Tag erlaubt sein. Mykonos wird seine Anlegestellen neu strukturieren, um parallele Ankünfte mehrerer Großschiffe zu verhindern. „Wir wollen den Tourismus nicht verhindern, sondern besser steuern“, betont Stylianides.
Auch die Bewohner begrüßen den Schritt. Eleni Papadopoulou aus Oia sagt: „Es geht nicht darum, Touristen auszusperren, sondern darum, das Leben hier wieder lebenswert zu machen. Manche Tage fühlten sich an wie Karneval in Venedig – nur ohne Pause.“
Pro & Contra: Kreuzfahrttourismus unter der Lupe
Pro-Argumente
Für viele Küstenregionen ist der Kreuzfahrttourismus ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor. Jobs in der Gastronomie, im Handel und im Transportwesen hängen davon ab. „Gerade in abgelegenen Inseln wäre ohne die Schiffe die wirtschaftliche Lage deutlich prekärer“, so der Tourismusforscher Dr. Nikos Mantzios von der Universität Athen.
Zudem bietet der neue Gebührenmechanismus ein nachhaltiges Steuerungselement. Je nach Saison und Besucherandrang kann die Zahl der Touristen besser reguliert werden. Die gestaffelten Tarife dienen dabei als wirtschaftlicher Anreiz zur Reisezeitverlagerung – etwa in Frühling und Herbst.
Ein weiteres Argument: Griechenland steht mit seiner Maßnahme nicht allein da. Auch Städte wie Venedig (Eintrittsgebühr von 5 €), Amsterdam (14,50 € Tagestouristensteuer) und Inseln wie Bali setzen auf ähnliche Instrumente, um dem Massentourismus entgegenzuwirken.
Contra-Argumente
Kritiker befürchten jedoch negative Auswirkungen auf den Wettbewerb. Die Cruise Lines International Association (CLIA) warnt vor einer möglichen Umleitung von Routen in weniger regulierte Häfen. Ein Sprecher erklärte: „Gebühren müssen verhältnismäßig und international abgestimmt sein – sonst entstehen Wettbewerbsverzerrungen.“ Auch die Gefahr, dass Reedereien künftig kleinere Häfen meiden, ist real.
Unklar bleibt zudem, wie transparent die Einnahmen verwendet werden. „Wenn das Geld in zentralen Töpfen verschwindet und nicht konkret der lokalen Bevölkerung zugutekommt, verliert die Maßnahme an Glaubwürdigkeit“, meint Giorgos Laskaridis, Bürgermeister von Heraklion.
Nicht zuletzt stellen Kritiker die soziale Gerechtigkeit infrage: Während wohlhabendere Gäste die Abgabe kaum spüren, könnten Kreuzfahrten für viele Familien in Zukunft unerschwinglich werden.
Branchenreaktionen
Die Reaktionen aus der Branche sind gespalten. Während einige Reedereien wie AIDA oder MSC die Pläne konstruktiv begleiten wollen, äußern andere – insbesondere US-amerikanische Anbieter – Bedenken. „Wir stehen im Dialog mit den griechischen Behörden, um die Auswirkungen auf unsere Gäste zu minimieren“, so ein Sprecher von MSC Cruises.
Zugleich wächst der Druck auf die Branche, ökologisch nachhaltiger zu agieren. Einige Anbieter investieren in emissionsärmere Schiffe, nutzen Landstromanschlüsse oder setzen auf Biokraftstoffe – bislang aber in überschaubarem Umfang.
Internationale Perspektiven: Griechenland als Vorbild?
Der griechische Weg könnte Signalwirkung entfalten. Viele andere Destinationen in Europa und Asien denken über ähnliche Maßnahmen nach. Schottland prüft derzeit eine Tourismusabgabe für die Hebrideninseln. In Japan sind bereits Hafensteuern für Kreuzfahrtpassagiere üblich.
Tourismusforscher Mantzios sieht hier einen Trend: „Die Zukunft des Reisens wird stärker von Regulierung und Nachhaltigkeit geprägt sein. Der Tourismus muss sich den Realitäten des Klimawandels und der sozialen Verträglichkeit stellen.“
Ein notwendiger Balanceakt
Griechenlands Einführung einer Ankunftsgebühr für Kreuzfahrttouristen markiert einen Wendepunkt. Die Maßnahme ist kein pauschaler Angriff auf den Tourismus, sondern ein Versuch, ihn gerechter und nachhaltiger zu gestalten. Ob sie Erfolg hat, hängt maßgeblich von ihrer Umsetzung ab – etwa in der transparenten Verwendung der Einnahmen und der Einbindung lokaler Akteure.
Der Kreuzfahrttourismus hat Potenzial, wirtschaftlich zu helfen – aber er darf nicht zur Belastung für Umwelt und Gesellschaft werden. Im besten Fall führt die griechische Initiative zu einem bewussteren Reisen, bei dem Erholung und Respekt gegenüber dem Reiseziel Hand in Hand gehen.
Oder wie es eine Anwohnerin auf Santorini treffend formuliert: „Wir lieben Gäste – aber wir müssen lernen, sie besser zu empfangen.“