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Korsika: Ein Ende mit Schrecken im Restonica-Tal

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Im zehnten und letzten Teil des Korsika-Berichtes muss unser Autor noch einmal alles geben: Mit dem Bus hoch in schwindelerregende Höhen und dann weiter über überflutete Wanderwege macht er den Louis Trenker – nur leider mit deutlich weniger Eleganz und Trittsicherheit. Dass er dennoch überlebt hat: Fast ein Wunder!

Wir schrauben uns die Straße durchs Restonica-Tal hoch. 1,90 Meter darf ein Fahrzeug nur breit sein, wir liegen wenige Zentimeter darunter. Immer wieder anhalten und rangieren, wenn ein Wagen entgegen kommt. Manchmal nur Zentimeter, während die Reifen am Abgrund scharben. Der Grabelle hat kräftig Wasser bekommen – ein genialer Wildbach zum Paddeln.

Am Anfang sah es noch relativ leicht aus...

Capo a u Chiostro heisst der Berg, an dem wir parken. Hier soll uns eine Wanderung von der Bergerie de Grotelle zum Lac de Melo führen. Als “sehr angenehm” wird diese in einem Wanderführer beschrieben. Bereits nach dem ersten Kilometer beschließe ich: “Trau keinem Wanderführer, den du nicht selbst geschrieben hast!”

Die gestern vom Himmel gefallenen Wassermassen sind immer noch dabei, sich ihren Weg ins Tal zu bahnen. Ist es ein Weg oder waten wir durch ein Bachbett? Irgendwie muss mir entgangen sein, dass ich einen Canyoning-Kurs gebucht habe. Hüpfend bewege ich mich von Stein zu Stein, balanciere über Felsen und richtige Gebirgsbäche, die unseren Weg kreuzen. Hier oben liegt Schnee, was für zusätzlichen Rutschfaktor sorgt.

…doch bald schon heisst es springen

An einer kleinen Hütte bleiben die meisten Wanderer hängen, doch Madame zieht es zum Lac. Also weiter hoch. Der Schnee wird immer höher, erst eine Handbreit, dann bis zu den Knien und weiter.

Bin ich hier wirklich auf einer Mittelmeerinsel, mitten in einem sommerlichen Mai?
Der Weg wird steiler und rutschig. Der Schnee überdeckt Gumpen voll eiskaltem Wasser. “Du musst auf den Steinen laufen”, ruft die Chefin. Klar, doch auch die sind für mich oft nicht zu sehen – ich bin eine Blindschleiche, kein X-Ray-Man. Fuß aufsetzen, Gewicht verlagern, testen, scheint zu halten. Volle Belastung und ich breche durch. Schnee in den Schuhen, super.

Mittlerweile warten wir durch den dicksten Nebel. Vier Schweizer kommen uns entgegen, die eine halbe Stunden vorher leichtfüßig wie Gemsen an uns vorbeigezogen sind. Sie haben aufgegeben. Wäre es angesichts dieser resignierten Profis nicht besser, wenn ich Kletter-Legastheniker…? Doch die Chefin stürmt weiter. Ich hechle hinterher. Komme an Stellen, wo ein einziger Fehltritt mich über die Kante ins Nichts rutschen ließe. Ging es in der Speloncato-Schlucht noch um Herz-Kreislauf-Belastung in feuchter Höhe, ist der Abschied hier nur einen Rutscher entfernt. Über glitschige Felsen finden wir schließlich Stahltreppen, die steil nach oben führen. Meine Haut schreit bei jeder Berührung des eisigen Eisens vor Schmerz. Dann kommt der stürmische Wind dazu.

Nebelbänke, kaum noch die Hand vor Augen zu sehen

Oben nur dichte Nebelbänke. Soweit waren die Schweizer auch. Wir müssen zurück, den ganzen beschissenen Weg. Es soll Menschen geben, denen Runterkommen schwerer fällt – natürlich gehöre ich dazu. Zumindest sofern die Abstiegsgeschwindigkeit nicht einfach nur Masse mal Erdanziehungskraft beträgt.

Ein Paar kommt uns entgegen. Die Frau hat den Rucksack voll Brot und nackte Arme. Ich trage vier Lagen am Oberkörper. Entweder war sie grade auf dem Himalaya oder ist in den Wechseljahren.

Wieder breche ich ein. Diesmal richtig heftig bis zum Knie in Eiswasser. Beide Schuhe sind voll Wasser, ein Spezialkomfort, den ich höchstens als Kind in Gummistiefeln lustig fand. Wir überwinden die kritischen Stellen, finden irgendwann gar die Hütte wieder. Statt Schnee nur noch Schneematsch.

Das Überqueren der Gebirgsbäche ist nur ein Klacks gegenüber dem, was hinter mir liegt. Immerhin, Basiskurs Fels-Balancieren erfolgreich absolviert. Dazu erinnere ich mich an Ninjutsu-Techniken aus meiner wilden Jugend und schwebe förmlich über die Bäche, getragen von Ki. Was soll mir jetzt noch passieren?

Wesentlich trittsicherere Geschöpfe als unser Autor

Genau das: Der allerletzte Bach, Leute drängeln hinter mir, Madame ist wegen Fotos weit zurückgeblieben, ich bin müde und erschöpft. Ohne Konzentration wähle ich bereits beim Absprung den falschen Stein aus, rutsche, flüchte auf den nächsten und knalle hin. Ein Bein im Wasser, fange ich mich längs im Bach liegend an einem herausragenden Stein ab. Brennender Schmerz im Daumen, zum Glück nur verstaucht statt gebrochen. Mal wieder eine Supershow für die anderen Urlauber, aber keiner geht mit dem Hut herum.

“Nie wieder Korsika”. Zugegeben, dieser Gedanke ging mir mehrfach durch den Kopf. Zum Glück gibt es “heiße Tasse” und Kakao für Seele und Körper, Homöopathie, Reiki und ein wenig Lymphdrainage für den Daumen.

Kirche San Michele de Murato

Wir verlassen das Restonica-Tal und besuchen die Kirche San Michele de Murato, eine der schönsten Kirchen der Insel – leuchtend im Sonnenuntergang. Und schlafen ein letztes Mal auf der Insel, wie in der ersten Nacht am Lac de Padule nahe Oletta. Allerdings entdecken wir eine noch schönere und geschütztere Stelle als beim ersten Mal dank einer Familie von der schwäbischen Alp, deren roter Bus uns leitet.

Zum Abendessen Käsespätzle und der für meinen Geschmack besten Wein, den wir auf der Insel entdeckt haben: ein Vin de Corse Sartène von 2004 aus der Domain San Micheli der Familie Polidori de Rocca-Serra, den es im Supermarkt für ca. 7,50 Euro gibt. Sogar die Flics schauen zum Abendessen vorbei, sagen aber nichts, da wir nur diese Nacht dort stehen und keine Anstalten machen, uns einzunisten.

Blick auf den Lac de Padule nahe Oletta von San Michele de Murato

Tschau Kallisti, die nicht nur schön, sondern auch anstrengend und zickig sein kann – wie die meisten schönen Frauen halt.

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Autor: Frank

Webdesigner und Publizist. Freier Mitarbeiter bei Magazinen im Bereich Gesundheit/Spiritutalität (Reiki-Magazin, Connection, DAO) und Musik sowie Autor/Herausgeber von Fach-Anthologien beim Windpferd Verlag. Mag am liebsten aktiven Natururlaub in Europa sowie Reisen nach Südostasien. Ganz besonders wichtig: Wasser!

2 Kommentare

  1. Ui, jetzt bin ich auf deinen Blog gestoßen und darf feststellen, dass du sehr schöne Berichte meiner Lieblingsinsel schreibst 🙂

    Ich war bisher scho 6 mal auf Korsika, aber erst einmal im Restonica-Tal. Das war damals 2001. Da hatten wir eine Bustour gemacht, und hielten auch an der San Michele de Murato. Ich glaube wir haben da neben der Kirche auch die Ausgrabungen begutachtet. Das war doch diese Kirche, wo daneben noch uralte Grundmauern gefunden wurden, oder irre ich mich da?

    Rattan der Weise

  2. @Rattan der Weise: du meinst nicht etwas die La Canonica Kirche?

    Oh man wenn ich das hier lese, bekomme ich richtige Urlaubssehnsüchte nach Korsika. War das zwar erst einmal, will da aber nächstes Jahr unbedingt mal wieder hin.

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