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Jelovice, Cicarija-Gebirge,Istrien, Bonanza-Landschaft 2013

Allgäu – Adria Teil 6: durch Istrien ans Meer

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Montag, 26. August: von der Skocjanska Jame-Höhle nach Kroatien hinein

Skocjanska Jame – der Name ist für uns Mitteleuropäer ein Zungenbrecher, aber man sollte ihn sich merken. Skocjanska Jame ist ein riesiges Höhlensystem im Karst, das vom Flüßchen Reka gebildet wird, und für mich eine der aufregendsten Höhlen, die ich jemals gesehen hab. Erst läuft man durch große, eindrucksvoll beleuchtete Katakomben mit herrlichen Stalaktiten, Stalagmiten und phantasievollen Gesteinsformationen unterschiedlicher Couleur, an sich schon eine volle Inspiration für Künstler. Und dann kommt das Highlight: eine gigantische Kathedrale aus Stein, die sich 50 m nach oben bis zur Decke wölbt, während 50 m tiefer die Reka durch einen Canyon rauscht. Alte, aufgegebene Wege winden sich in Stufen zum Fluß hinunter und um festungsartige Felsvorsprünge herum, wuchtige Felsen ragen im Halbdunkel steil nach oben, die Wände werden von massiven Felsmauern in mystischen Gebilden geformt , alles ist riesig. Man mag gar nicht glauben, daß die Natur dieses Monument geschaffen hat. Irgendwie erinnert es mich an – ja, genau! Die Felshallen von Moria mit der Zwergenfestung Kazad Dhum aus „Herr der Ringe“! Unwillkürlich späht man nach links und rechts, ob jetzt nicht irgendwelche Orks auftauchen oder Gollum um die Ecke lunzt… Ich bin jetzt echt sprachlos und nur noch am Staunen. Was für eine Wucht! Voll erwischt!

scokcjaSkocjanska-Jame, Karst-Höhle in Slowenien, Radtour 2013

Der Kessel am Ausgang der Höhle von Skocjanska Jame

Vom Höhlenausgang aus gelangt man um einen imposanten Felskessel aus Steilwänden rum wieder nach oben. Unten rauscht die Reka, und oben – der Regen. Wieder mal. Es gießt aus Kübeln und läßt erst nach einer Stunde nach. Im Touri-Center hab ich ein dach überm Kopf, ich mach dann halt Brotzeit.

Presnica-Podgorje, Naturlandschaft, verlassene Häuser, Geisterdorf, Slowenien

Viele Menschen trifft man hier nicht…

Noch voll von Höhlen-Eindrücken radel ich schließlich weiter. Verfahr mich einmal kurz und bin bald auf einer kleinen Landstraße Richtung Kroatien, vorbei an goldgelben Feldern und dunkelgrünen Pinienwäldchen.

Kroatien, Grenzübergang Slowenien-Kroatien, 2013

Das neueste EU-Mitglied

Der Grenzübergang ist problemlos, mittlerweile bin ich wieder auf rund 1000 m Höhe im Cicarija-Gebirge, das sich fast bis Rijeka hinzieht. Ich war schon bei der Reiseplanung total neugierig, wie es hier in der Gegend aussieht, und ich bin nicht enttäuscht worden. Die schmale Straße windet sich durch eine weite Traumlandschaft, ein Hochland aus strohgelben Wiesen, dunklen Pinien und Macchia-Wäldern, einzelstehenden Wacholdern und karstigen Bergrücken unter einem mediterran blauen Himmel. An was erinnert mich jetzt das? Schon wieder ein neues Deja Vu: na klar! Das ist Bonanza-Landschaft! Wie bei den Cartwrights! Irgendwo links hinter dem Buckel müßte die Ponderosa liegen.

Es ist einfach so wunderschön hier oben, daß ich mir wünsche, diese Straße würde nie aufhören. Ich fahr jetzt sogar extra langsam, um diese Traumumgebung zu genießen und mit allen Sinnen aufzusaugen. 20 km sind’s bis zu meinem Tagesziel, dem Städtchen Lupoglav im Tal, aber ich mag einfach noch nicht runter von hier, wie ein trotziges Kind. Scheinbar erhört das Schicksal mein Sehnen: im gottverlassenen Dörfchen Jelovice, bei dem von 20 Häusern grad noch 4 oder 5 bewohnt sind – der Rest ist eingefallen oder überwuchert – , steht das einzige Gasthaus in dieser Bergregion! Saucool, hier bleib ich über Nacht! Das ist ja wieder das Tolle an dieser Art zu reisen: du kannst spontan deine Pläne umschmeißen, wenn du unterwegs was Schönes oder Tolles entdeckst. Das ist schon ein immenses Stück Freiheit.

Jelovice, Cicarija-Gebirge, Istrien, Kroatien, Radtour 2013

Jelovice

Das Hirschgulasch und das Karlovacka-Bier in der Abendsonne vor dem Gasthaus schmecken genial, als Schwabe freut man sich über die mit EUR 20,- recht günstige Übernachtung. Wie’s der Zufall so will, steigt auch englisches Seniorenpärchen hier hab – mit dem Mann und dem Gastwirt schnäpsel ich bis in die Nacht hinein und probieren so allerlei geisthaltige Spezialitäten aus (Tipp: Sellerie-Schnaps!).

Dienstag, 27.August: die Berge von Istrien

Ich komm erst am späten Vormittag los, weil…ja, also…die slowenischen Schnäpse…

Egal. Ich hab so a richtige Freud, die kaum befahrene Höhenstraße im Sommerlicht durch Istriens weite Bonanza-Berglandschaft mit den kargen, sanft geschwungenen Berggraten entlangzukurven, mal bergauf, mal bergab, mal durch halbverlassene Dörfer, mal an goldgelbe weite Wildwiesen und Viehweiden vorbei. Es gibt hier oben kaum Tourismus und keine spektakulären Sehenswürdigkeiten, was aber auch nicht so wichtig ist – die Sehenswürdigkeit ist die abwechslungsreiche, schöne Naturlandschaft selbst.

Jelovice, Cicarija-Gebirge,Istrien, Bonanza-Landschaft 2013

Kaum befahren – die Landstraße am Fuß der Cicarija-Berge

Jelovice, Cicarija, Istrien 2013

Unbekanntes, aber schönes Istrien

Für 3 Kilometer fährt Hugo mit. Hugo ist eine Heuschrecke, die sich auf meine rechte Lowridertasche platziert hat. Windschnittig, den Blick nach vorn gerichtet, klammert er sich fest und genießt den kühlen Fahrtwind. Das war wahrscheinlich die längste Reise seines Lebens.

Heuschecke,Istrien, Allgäu-Adria 2013

Hugo die Heuschrecke, mein Passagier

Eins meiner Hauptziele auf dieser Tour ist der Vojac. Der 1400 m hohe Berg thront genau über der Küste Istriens mit 360°-Rundumsicht auf Rijeka, die Kvarner Bucht, die Inseln Krk und Cres und die vielen anderen Eilande Dalmatiens, die Adria und das hügelig-bergige Hinterland Istriens. Und mit viel Glück sogar bis auf die andere Adria-Seite nach Venedig. Der Vojac soll sowas wie der letzte Höhepunkt meiner Reise sein, der letzte lange Anstieg, das Ende der Bergstrecken, denn hier hören für mich irgendwie die Alpen auf, hier fallen die Berghänge direkt ins Meer ab. Am Vojac beginnt auch das Ende dieser Reise, denn danach ist nur noch Faulenzen auf der Insel Cres angesagt, grad mal eine halbe Fährstunde von der Küste entfernt.

Cicarija, Istrien, Allgäu-Adria-Radtour 2013

Nur dünn besiedelt ist das Hochland von Istrien, mit viel Natur außenrum

Bis zum Gipfel wird ich’s heut nicht schaffen, da verspäteter Aufbruch heute morgen (oder eher mittag)… Erst rausch ich mal bergab bis Lupoglav und ächze nach einer Cappuccino-Pause in der Nachmittagshitz ein paar sakrisch steile Serpentinen (15 %) wieder bergauf, und im letzten, etwas dunstigen Dämmerlicht kurz vor der Paßhöhe, versteckt in der Pampa, mein Zelt aufzuschlagen, begleitet vom „Schuhuhu“ der Käuzchen. Ich freu mich auf morgen früh, denn die letzten 500 Höhenmeter zum Gipfel des Vojac sind asphaltiert und führen durch schattigen Wald, und dort oben mag ich dann mein letztes Panorama-Müslifrühstück einnehmen.

Draußen funkelt ein prächtiger Sternenhimmel, aber ich penn trotzdem drinnen, angeblich soll’s hier Skorpione geben, vor denen ich etwas Respekt habe.

Nachts piekst mich trotzdem etwas. Ich schrecke auf, such die Brille, knips die Taschenlampe an – eine Heuschrecke! Uff. Es ist nur Hugos bucklige Verwandtschaft. Wie sich die wohl reingeschlichen hat?

Mittwoch, 28.August: vom Vojac an die Adria

Der Himmel über Istrien ist mit Wolken vollgestopft, und der Vojac hat sich über Nacht in ein dichtes milchiges Nebelzeugs gehüllt. Oh nein, bitte jetzt das nicht! Ich fahr trotzdem die 6 km zum Gipfel rauf.

Vojac, Istrien,Kroatien,Allgäu-Adria-Radtour 2013

Aussichtsturm auf dem Gipfel des Vojac ohne Aussicht

Die Sicht oben beträgt höchstens 50 m, und es ist saukalt. Aus dem Panorama-Müsli-Frühstück wird nix, was aber nicht an dem Müsli liegt, sondern an dem fehlenden Panorama. Wolkenschwaden jagen über die Kämme, ein drohendes Grummeln zeigt, daß auch noch ein Gewitter herannaht, hier auf dem höchsten Gipfel Istriens. Na klasse. Das Donnern kommt schnell näher, und ich rausch 2 km bergab in den dichten Wald, bevor es heftig zu regnen beginnt. Ich sitz, durch meine Zeltplane geschützt, gefrustet den Regen aus. Nach einer Stunde wird’s lichter, und ich kurbel wieder zum Gipfel hoch. Dort ist die Aussicht zwar etwas besser, aber nur auf das fruchtbare Binnenland, aus dem neue Wolkenbastionen heranrollen, in wilden geballten Formationen aus Grau und Weiß, als Türme, Berge, Eruptionen. Ich muß zugegeben, daß der Anblick schon etwas von Dramatik hat. Nur von der Adria, da sieht ma nix.

Vojac,Müslifrühstück,Istrien 2013

Pseudo-Panorama-Müslifrühstück

Bevor das nächste Unwetter eintrudelt, laß ich „Kamasutra“, mein treues Radel, bergab rollen, in gefühltem Formel-1-Tempo den langen Weg um den Vojac herum. Das hat sie sich verdient. Ich bin schon weit unten, als mich das nächste Gewitter erwischt. Donner und Blitz, Blitz und Donner, das ist nicht mehr spaßig. Ich stell mich in einer Scheune unter, aber als ich nach einer dreiviertel Stunde weiterradle, donnert’s schon wieder, und neue Wolkenmassen rollen heran. Jetzt kauere ich mich 20 m vom Fahrrad entfernt an den Straßenrand, weil’s nix anderes gibt. Nach einer halben Stunde geht’s weiter, bis zum nächsten Gewitter. Aaaaah! Nerv! So geht das ein paar Mal. „Intervall-Radeln“ nenn ich die neue Art der Fortbewegung, Radeln zwischen Gewittern. Das drückt den Tagesschnitt natürlich böse nach unten.

Vojac,gewitter, Istrien,Kroatien 2013

Eines der vielen heranrollenden Gewitter

Irgendwann lassen die Unwetter nach, und ich komm wieder voran. Über eine kleine Landstraße und durch winzige Dörfer durch. Zum ersten Mal rieche ich Feigen – das Mittelmeer ist nicht mehr weit.

Und dann steh ich plötzlich oben an der Küste und schaue auf die tiefblaue Adria runter. Wow! Ich seh das Meer! Ganz still liegt es da, nur ein paar Schiffe und Boote durchpflügen dieses Blau und schmücken es mit langen weißen Bahnen. Vor mir im Abendlicht die Insel Cres, mein Tagesziel. Sieht recht bergig aus…

Istrien,Cres,Kvarner-Bucht,Adria 2013

Endlich – die Adria!!!

Eine Traumstraße führt oberhalb der Küste bis zum Hafen Brestova. Die nächste Fähre geht erst um 20 Uhr, daher komm ich nach Sonnuntergang erst auf der schönen Insel Cres an. So, und wie weiter? Bis zum Campingplatz Valun sind’s noch 32 km mit langen Auf und Abs. Nachtradeln? Und dabei die schönen Aussichten verpassen? Als ich die Fähre verlasse, bietet mir ein nettes deutsches Camperpärchen einen Lift in die Nähe von Valun an, da schlag ich natürlich zu. Ich liebe solche Zufälle!

Brestova, Istrien,Allgäu-Adria-Radtour 2013

Geschafft! Ich bin am Meer!

Eine halbe Stunde später setzen sie mich beim Abzweig von der Hauptstraße ab. Noch 6 km bis zum Campingplatz. Ich muß blöderweise mit Stirnlampe radeln, da das Vorderlicht seinen Geist aufgibt. Der Nachthimmel glitzert in einer Wahnsinns-Unendlichkeit. Muß ich eigentlich wirklich heut nacht schon am Campingplatz sein?

Muß ich nicht. Und roll dafür bald Isomatte und Schlafsack in einem leeren Feld 50 m neben der Straße aus. Es ist wunderschön hier oben und ganz ganz ruhig. Ich schau auf die stille Bucht hinunter, auf die dunkle, sanfte Küste und hinauf in die warme Nacht und weiß: wenn du unter so einem gigantischen, kräftig funkelnden Himmelszelt liegst, brauchst du kein 5-Sterne-Hotel. Ich hab Milliarden Sterne über mir.

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